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Genussgedanken von Matthias Grenda

Kulturfarmer

Genussgedanken zum Dienstag, dem 12.05.2020

Ich bin immer wieder erstaunt, was es in der Welt der Kulinarik doch noch alles zu entdecken gibt. Und ich als Genussmensch dachte, schon so viel zu wissen über das Essen und Trinken. Weit gefehlt. Da schaue ich mal wieder bei einem der Streaming Dienste nach etwas Erbaulichem zum Thema und werde auf den amerikanischen Bestsellerautoren Michael Pollan und die Dokumentation „Cooked“, was gekocht heißt, aufmerksam. Großartig, wie dort in vier Folgen von je einer knappen Stunde, die Geschichte und Bedeutung unserer Nahrung und Ernährung erklärt werden. Wie kommen wir in unserem täglichen Leben zu einem tieferen Verständnis der Natur und der besonderen Rolle unserer Spezies darin? Am besten geht man dazu einfach in die Küche, meint Michael Pollan. Kochen ist das zentrale Element unserer Menschwerdung, sind wir doch das einzige Lebewesen, welches sich Essen mittels Feuer zubereitet. Ja, das Feuer hat eine geradezu magische Anziehungskraft auf uns Menschen, nicht nur in Bezug auf das Zubereiten von Speisen. Jeder, der schon mal um ein Lagerfeuer gesessen hat oder vor einem Kamin, weiß wovon ich rede.

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Bild: Drescherlaib2 von Joerg Lehmann

Pollan beschäftigt sich in der Filmdokumentation und dem dazugehörigen Buch mit den vier klassischen Elementen wie Feuer, Wasser, Luft und Erde. Er zeigt auf, was die Natur uns liefert, wie die Elemente, mal mit mal ohne unsere Hilfe, natürliche Rohstoffe in köstliches Essen und Trinken verwandeln, und geht selbst noch einmal in die Lehre: Bei einem Barbecue-Meister lernt er die Magie des Feuers kennen und wie wichtig dabei der Respekt für das Tier ist. Wer Fleisch essen will muss akzeptieren, dass ein Lebewesen sein Leben für unseren Genuss verliert. Entsprechend würdevoll sollte der Umgang mit dem Tier sein. Eine Köchin weist ihn in die Kunst des Schmorens ein. Kochen extrahiert die natürlichen Aromen und das benötigt meistens einfach nur Zeit, ein besonderes Luxusgut, was wir uns in der modernen Gesellschaft kaum noch gönnen. Wurde früher noch 90 Prozent des Tages zur Mittelbeschaffung für das Essen und Trinken verwendet, ist es heute verschwindend gering. Im durchschnittlichen amerikanischen Haushalt wurden in den 1960igern noch etwas über 60 Minuten mit der reinen Zubereitung von Speisen verbracht, heute sind es weniger als 30 Minuten. Vorgefertigten Lebensmitteln sei Dank, nein eigentlich nicht. Gesund und schmackhaft ist anders.

Dabei ist gutes Kochen ziemlich einfach, oft viel günstiger als wir denken und braucht keinen modernen Schnickschnack oder teure Gerätschaften. Das Problem ist nur, dass die Industrie dann jault. Letztendlich muss ich nur wissen, wie es geht und mir die Zeit nehmen. Ein Bäcker bringt Michael Pollan bei, wie Mehl und Wasser durch Luft in duftendes Brot verwandelt werden. Brot ist in fast allen Kulturen zuhause und Jahrtausende alt. Einige Forscher sind sich gar nicht mal sicher, ob das Sesshaftwerden und der Getreideanbau dafür die ursprüngliche Motivation waren oder doch die Entdeckung der Gärung und damit Alkoholherstellung. Spannend, wirklich spannend. Denn die Fermentierung gehört zur Geschichte der Erde ebenfalls dazu und so zeigt Pollan über eine Gruppe von „Fermentos“, zu denen ein Brauer und ein Käser gehören, wie Pilze und Bakterien eine erstaunliche Alchemie zustande bringen. In all diesen Verwandlungsprozessen nehmen die Köche eine besondere Position ein: die zwischen Natur und Kultur. Wer seinen Clan erfolgreich führen wollte, musste auch ein guter Jäger und Koch sein, schließlich hing das Überleben aller davon ab. So viel hat sich also gar nicht geändert, nur dass ich nicht weiß, ob Angela Merkel gut kochen kann… Das Jagen und Erlegen beherrscht sie ja super.

Mit der Dokumentation von Michael Pollan lernen wir, wie uns das Kochen verbindet: Pflanzen und Tiere, mit der Erde und den Bauern, unserer Geschichte und Kultur und natürlich mit den Menschen, mit denen und für die wir kochen. Wenn wir die Freude am Kochen zurückgewinnen, das ist das Fazit dieses wunderbaren Films und Buchs, öffnet sich die Tür zu einem reicheren Leben. Geradezu gerührt und irgendwie auch beseelt klingt dieses Fazit nach in mir. Und der Unsinn unseres Systems, mit seiner oberflächlichen Vereinfachung und angeblichen Dienlichkeit für die Selbstverwirklichung des Individuums, plagt wieder meinen gesunden Menschenverstand, nicht erst seit der Entdeckung dieser Dokumentation. Wir haben den falschen Fokus und die Gier macht uns krank, auch wenn die Lebensmittelindustrie Gegenteiliges behauptet. Mahnend erzählt Michael Pollan das Beispiel der Ureinwohner Australiens, die durch die moderne und angeblich gesunde Ernährung meistens an Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes und anderen Zivilisationskrankheiten leiden. Der entsprechende westliche Lebensstil kommt noch dazu. Nach nur sechs Wochen Rückkehr zu ihrer ursprünglichen Buschdiät und mehr Bewegung in ihren angestammten Gebieten waren fast alle befundfrei. Das gibt doch stark zu denken. Das Gleiche gilt auch für Dich. Du musst es nur tun.

Also, Dir einen schönen Genusstag und bleib gesund!

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