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Genussgedanken von Matthias Grenda

Kulturfarmer

Genussgedanken zum Freitag, dem 27.03.2020

Heute Morgen habe ich gelesen, dass man sich und seinen Tag strukturieren soll, vor allem wenn man, wie viele in der momentanen Situation, von Zuhause aus arbeitet. Ordnung ist das halbe Leben. Nun ja, eigentlich habe ich das gut im Griff, es hat sich für mich als geübter Heimarbeiter nichts verändert. Aber es stimmt schon, vielleicht sollte ich mich mal etwas mehr zusammenreißen und nicht bis um 11 Uhr im Bademantel am Schreibtisch sitzen, es sieht und hört ja keiner, und dann den Rest des Tages in Jogginghose und Hoodie durch die Wohnung und den Arbeitstag streifen. Außerdem macht sich der Bademantel bei Videokonferenzen nicht so wirklich gut. Arbeitstechnisch macht es für mich keinen Unterschied, da bin ich strukturiert genug. Und Publikumsverkehr habe ich hier Zuhause ja auch nicht. Gestern habe ich mir sogar für ein kurzes Internetvideo eines von den gestärkten weißen Hemden und ein ordentliches Jacket angezogen. Und, was soll ich sagen, ich habe mich gleich ganz anders gefühlt… Irgendwie amtlich und auch ein bisschen festlich.

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Auf Kleidung wurde und wird in unserer Familie schon Wert gelegt, ohne zu übertreiben. Trotzdem waren wir als Kinder so ziemlich die letzten, die amerikanische Blue Jeans und einen Parka bekamen, was in den 1980iger unbedingt zur Cliquen Uniform gehörte, also wenn man dazugehören wollte. Und das, obwohl jeder eigentlich doch zivilen Ungehorsam propagierte und auf jede Form von Militär und Establishment schimpfte. Nun ja, heute sind es Tätowierungen, die Individualität und Unangepasstheit symbolisieren sollen. Der gleiche Trugschluss und letztendlich die gleiche  Spießigkeit. Aber geschenkt. Mein Vater weigerte sich sogar lange, überhaupt eine Jeans zu besitzen, schließlich sei das eine Arbeiterhose und er sei kein Arbeiter. Heute trägt er sie mit einer gewissen Leidenschaft. Aber vielleicht weichte irgendwann einfach der Standesgedanke dem Praktischen. Gartenarbeit in Buntfalthose geht gar nicht. Obwohl ich meine, mich an Hand-Rasenmähende Männer mit eben dieser und kurzärmeligen Hemden mit Schlips erinnern zu können.

Meinen ersten Südfrankreichurlaub ohne Eltern, mit einer Autoladung voller Freunde, ich war 17 und die ältere Schwester einer Freundin war die erste, die einen Führerschein hatte, verbrachte ich in einer Jeans, einem T-Shirts (und einem zum Wechseln), Badehose und Turnschuhen. Mehr hatte ich neben der Zahnbürste eigentlich nicht dabei. Auf dem Campingplatz in Mimizan-Plage lebten wir zu fünft für drei Wochen in zwei Zelten (es gab ein Pärchen unter uns), mit dem Opel als Rückwand unserer „Festung“, einem Bunsenbrenner für das Dosen-Ravioli und einer Waschwanne zum Unterhosen auswaschen, aber auch um Salat zuzubereiten. Es war spärlich, aber wir fühlten uns ultimativ frei.

Unsere Nachbarn in der Parzelle gegenüber waren ein älteres englisches Ehepaar, die, ganz luxuriös, einen kleinen Wohnwagen mit Vorzelt ihr Zuhause nannten. Eines Abends waren wir zum Essen eingeladen, man war sich sympathisch, teilte drei Wochen lang nächtliche Schnarchlaute und prostete sich schon mal über den staubigen Zeltplatzweg zu. An diesem Abend aß ich das erste Mal in meinem Leben gefüllte Aubergine mit Hackfleisch und Schafskäse und war nachhaltig beeindruckt. Auch vom englischen Gastgeber, der, obwohl wir ihn tagsüber nur in kurzen Hosen und gerippten Unterhemd sahen, tatsächlich ein kariertes Jacket, eine gebügelte Hose und feste Schuhe trug. Ganz der englische Gentleman. Ein geradezu surreales Bild im Scheine der Öllampe und ausschweifenden Feier mit diversen alkoholischen Getränken. In dieser Nacht wurde der Waschwanne eine weitere Funktion zugefügt.

Ich werde mich für das heutige Mittagessen ebenfalls in Schale schmeißen. Leider habe ich weder Auberginen noch Hackfleisch im Haus. Aber mal sehen, ob ich etwas in Gedanken an dieses alte englische Ehepaar zubereiten kann, um ihnen dann mit Ingwer-Wasser im Geiste zuzuprosten und mich über die damaligen Gesprächsversuche zu amüsieren, denn unser Englisch war alles andere als konversationsfest. Aber bei ordentlich Wein und Hack ging auch das irgendwie ziemlich gut. Improvisiert und doch mit Anstand. So wie heute auch wieder. Das Gleiche gilt auch für Dich. Du musst es nur tun.

Also, Dir einen schönen Genusstag und bleib gesund!

 Und noch ein Tipp von uns.
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Prickel und Häppchen holen wir bald nach.

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