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Genussgedanken von Matthias Grenda

Kulturfarmer

Genussgedanken zum Mittwoch, dem 06.05.2020

Ich denke seit Tagen schon darüber nach, woran mich das ständige Duellieren, das Hin und Her in der Gesellschaft, Politik, Berichterstattung und auch an den eigenen Überlegungen und Emotionen erinnert und dann lese ich einen Artikel mit der Überschrift „Wenn Amerika aufwacht, sind die Schach-Server überlastet“. Bingo! Nein, natürlich nicht an Bingo, sondern an Schach erinnert mich dieses strategische Spiel der kleinen Schritte mit dem Versuch, um 25 Ecken, in diesem Fall in Zügen, zu denken, um ja die richtige Entscheidung zu treffen und um letztendlich möglichst wenige oder keine Bauern, Läufer, Türme oder sonst irgendwelche Mitspieler zu verlieren. Es ist eine Schlacht und es geht um das Gewinnen gegen einen Feind, im Schach allerdings im spielerischen Sinne. Dem König und der Königin gilt natürlich eine besondere Aufmerksamkeit, also wie im wirklichen Leben und bei der Corona-Krise. Auch hier sind das Wissen und die Fähigkeiten der Beteiligten von entscheidender Bedeutung, ebenso wie die Praxis, also jahrelange Erfahrung mit der Auseinandersetzung von Spielzügen berühmter Vorbilder und entsprechenden Lösungen für die eigene Strategie und das Überwinden des Gegners. Beim Schach allerdings kein Virus, obwohl so mancher Gegner schon eine Bazille sein kann…

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Schach als Spiel ist schon ewig alt, stammt in seiner Urform aus Nordindien, kam dann über Persien nach Spanien und wird in seiner heutigen Form seit dem 15. Jahrhundert mit geringen Veränderung zu zweit, in Clubs und seit einigen Jahren gegen den Computer und auch im Internet gespielt. Das Spiel mit oder auf dem berühmten Schachbrettmuster ist auch eines der wenigen Spiele, die sich sowohl in der analogen wie auch in der digitalen Welt gleichermaßen großer Beliebtheit erfreut, also ein Paradebeispiel für funktionierende Koexistenz ist. Es gibt geschätzt um die 600 Millionen Schachspieler weltweit, die sich entweder privat, im Verein oder Online duellieren. Manche mit viel Zeit für den nächsten Zug, manche gegen die Uhr beim Blitzschach. Früher gab es in jeder anständigen Kneipe oder jedem Studenten-Café einen Tisch mit Brett und Figuren und es bildeten sich Grüppchen, um die nicht nur wegen der Zigaretten rauchenden Köpfe und Kontrahenten. Legendär waren auch die Partien, die im Fernsehen übertragen wurden, salbungsvoll die Namen: Bobby Fischer, Boris Spassky, Wladimir Kramnik, Wesselin Topalow, Anatoli Karpow oder Garry Kasparow. Oft waren es Russen, die das Weltgeschehen bestimmten. Der aktuelle Weltmeister ist 29 Jahre jung und Schwede: Magnus Carlsen.

Ich lernte Schach kennen und spielen, ohne Meisterschaftsambitionen, im zarten Alter von acht oder neun Jahren von einem Freund meines Vaters, im Biergarten eines Hotels in Österreich. Unsere Familien verbrachten dort einen gemeinsamen Sommerurlaub und für mich war es eine schöne Abwechslung vom Wandern und Bergsteigen. Da kam mir jede Schlechtwetterphase nur recht und schon ging es unter den Sonnenschirm oder in die gute Stube des Familienhotels. Natürlich hatte ich kaum eine Chance gegen meinen erwachsenen Gegner, was ärgerlich war in Bezug auf das versprochene Siegereis. Gut, dass die Kellner manchmal Mitleid hatten mit mir. Ja, es ist halt doch eine Schlacht, die dort geschlagen wird… Als Erwachsener, auch wenn ich nicht wirklich regelmäßig spielte, hatte ich mehr Glück und ging so manchem passionierten Spieler ordentlich auf die Nerven. Mit großer Freude erinnere ich mich an ein paar Duelle während einer längeren Zugfahrt mit „Smudo“ von der Musikgruppe „Die Fantastischen Vier“, der als äußerst kompetitiver Sportsfreund bekannt ist, und den ich mehrmals schlug. Wie heißt es noch so schön in einem großen Hit der Fanta4? „Sie ist weg“, ja weg war sie, die Königin…

Irgendwie bekomme ich gerade wieder richtig große Lust, eine oder gleich mehrere Partien Schach zu spielen. Und, meine Erfahrung lehrt mich, dass Menschen, egal ob mir gut bekannt oder noch nicht, die in ihren Wohnzimmern ein Schachbrett mit Figuren stehen haben, mit Hingabe denken und spielen können und dadurch letztendlich Meister ihres Lebens sind. Und gerade in trauter Geselligkeit in einem gemütlichen Zuhause lässt sich vortrefflich beim Schachspiel etwas trinken. So, wie vor Jahren bei einem alten Freund, der mich mit der Aussage zu einer Partie lockte, er habe noch ein paar schöne alte Jahrgänge Rotwein im Keller entdeckt, die sich hervorragend für einen langen und spannenden Schachabend eignen würden. Und so wurde es dann auch ein Duell bis in die Morgenstunden. Wer letztendlich gewann, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich schwerfällig auf der Couch erwachte, nicht weil es Zeit war und die Wirkung des Weins schon nachgelassen hatte, sondern weil die beiden kleinen Töchter des Freundes meinen Kopf und Oberkörper als Schachbrett nutzten und mir mit den Figuren im Gesicht herumspielten. Stimmt, irgendwie müssen es die jungen Menschen ja lernen. Ich werde mir bald mal wieder einen würdigen Gegner suchen. Das Gleiche gilt auch für Dich. Du musst es nur tun.

Also, Dir einen schönen Genusstag und bleib gesund!

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