Picture of Genussgedanken von Matthias Grenda
Genussgedanken von Matthias Grenda

Kulturfarmer

Genussgedanken zum Mittwoch, dem 22.04.2020

Ich bin gestern Abend am Imbiss meines Vertrauens vorbeigelaufen und freute mich über die lange Schlange vor der Tür, alle zwei Meter ein Hungriger mit Appetit auf Currywurst, Burger und Pommes. Schön, irgendwie ein Stück Normalität. Als ich dann abends auf Netflix eine weitere Folge der großartigen „Chef’s Table“ Serie über Spitzenköche aus aller Welt sah, ließ mich ein Genussgedanke nicht mehr los. Wo ist eigentlich das zeitgemäße und zukünftige Currywurst-Gericht für den kleinen Geldbeutel? Bezogen auf erschwingliche Küche für den Hunger zwischendurch sind wir als Deutsche ja ziemlich international ausgerichtet… da gibt es die italienische Pizza, den amerikanischen Burger, die belgischen Pommes, den orientalischen Döner, irgendwelche Wraps von sonst woher etc. Die deutsche Bratwurst ist vielleicht kein Auslaufmodell, aber in Zeiten sich wandelnder Ernährungstrends auch nicht wirklich zukunftsfähig. Natürlich können Meisterköche regionale Speisen neu entdecken und daraus eine geniale kulinarische Kreation schaffen, aber wer kann sich schon täglich ein Mittagessen für 150 Euro im Gourmettempel leisten? Wir brauchen Abhilfe.

Hinzu kommt beim Umgang mit dem Thema „Essen & Trinken“ vor allem bei jungen Menschen ein Handicap: Sie wissen zwar, wo sie Informationen zu einem Gericht finden, schauen sich online einen Filmclips dazu an, sehen, wie etwas gemacht wird, aber sie sind selten in der Lage, es selbst zu tun. Wir haben mittlerweile mehrere „lost generations“, also verlorene Generationen. Die Masse der Jugendlichen ernährt sich von Fastfood, Streetfood, Tiefkühlprodukten etc. Niemand weiß mehr um den Ursprung, die Herstellung, den Sinn und die Zukunft der Ernährung.

Während die Ernährung der Weltbevölkerung heute immer noch ein hochgradig relevantes und brisantes Thema ist, hat sich die Art und Weise des Umgangs mit Lebensmitteln besonders in westlichen Ländern stark verändert. Gerade in Deutschland dient bei jungen Erwachsenen „Essen & Trinken“ nicht mehr nur der reinen Nahrungsaufnahme oder ist ein Ergebnis und Abbild kulturhistorischer Entwicklungen. Es ist immer mehr ein Statement zu einer Gruppenzugehörigkeit, ohne zu wissen: Wo kommen die Lebensmittel her? Wer hat sie hergestellt und vor allem wie? Die Zubereitung und gemeinsame Mahlzeit in der Familie oder mit Freunden wird immer seltener, Kochen und Essen höchstens zum Event oder dient als Fotovorlage. Das Thema ähnelt dadurch in der medialen Inszenierung und persönlichen Wahrnehmung immer mehr schnell wandelnden Modeerscheinungen und trägt Züge alternativer Glaubensrichtungen… meist fest im Griff ausgeklügelter, aber für den Konsumenten nicht wahrnehmbarer Geschäftsmodelle.

Die gesundheitliche und damit physische und psychische Auswirkung auf die Gesellschaft ist enorm, der Bedarf an kulinarischem Seelenwohl groß. Die Menschen der westlichen Welt sind im bedrohlichen Ausmaße zu dick und krank, unzufrieden, leidend, von der Selbstoptimierung getrieben, Diäten werden in Freundeskreisen heiß diskutiert, medizinische und ernährungswissenschaftliche Ratgeber zu Bestsellern und ständigen Wegbegleitern. Der Sinn einer gemeinsamen Mahlzeit, die soziokulturelle Rolle und damit der Wert der Ernährung haben sich stark verändert und sind ungesund ökonomisiert worden. Gut für die Volkswirtschaft, schlecht für den Bauchumfang und die Volksseele.

Doch nun zur Abhilfe: Eigentlich müsste man eine „Culinary Challenge“ ausrufen, also mit all den durch den Corona-Lockdown verzweifelten und arbeitslosen Profiköchen und leidenschaftlichen Küchen-Amateuren herumexperimentieren, in sich und auf die Suche gehen, sich austauschen zu der Herausforderung, wie ein erschwingliches, gesundes und zukunftsweisendes Gericht aussehen, schmecken und hergestellt werden müsste. Wo ist das nächste große Ding, die nächste Bratwurst oder von mir aus auch der zukünftige Döner, Burger? Ohne gedankliche Schranken oder politische Korrektheit a la alles muss heute „vegan“ sein. Einzige Bedingungen, es darf gesund sein, am Ende den Esser aber nicht mehr als 5 bis 10 Euro kosten und muss trotzdem schmackhaft sein. Dabei könnten wir weit in unsere kulinarische und vor allem regionale Vergangenheit in Deutschland zurückgehen und dieses alte Wissen mit der Kompetenz moderner Wissenschaft paaren. Das gute Handwerk würde es schmackhaft und lebensnah machen. Ach, manchmal sind Genussgedanken doch einfach nur köstlich. Ich werde mal schauen, was ich da machen kann. Das Gleiche gilt auch für Dich. Du musst es nur tun.

Also, Dir einen schönen Genusstag und bleib gesund!

Nach oben scrollen