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Genussgedanken von Matthias Grenda

Kulturfarmer

Genussgedanken zum Samstag, dem 18.04.2020

Ich bin heute Morgen aufgewacht und habe mir gedacht, wie sehr ich doch einfach mal wieder Essen gehen, also in ein richtiges Restaurant zum Essen und Trinken gehen würde. Ich koche gerne und, wie mir ab und zu bestätigt wird, gar nicht mal so schlecht. Mein Sekt- und Weinvorrat ist auch nicht von schlechten Eltern… Obendrein gibt mir das Selbstkochen zu Zeiten der kulinarischen Isolation eine willkommene Struktur im Tagesablauf und ermöglicht diese sinnlich handwerkliche Form von Meditation, die das Nachdenken über das Mahl, Schnibbeln, Präparieren und Kochen so mit sich bringen kann. Aber irgendwie ist es natürlich auch super, wenn das alles jemand anderes macht. Ob nun im Imbiss meines Vertrauens für den schnellen Hunger zwischendurch, das familiäre „Schnabulieren“ beim Italiener um die Ecke, die etwas weitere Anfahrt für das „Schmackofatzen“ bei einem ausgewiesenen Küchenmeister oder sogar das kulinarische Hochamt einer Sterneküche, alles klingt heute Morgen besser, als der erneute Blick in meinen eigenen Kühlschrank. Och Menno… manchmal ist das Genießer-Dasein in außergewöhnlichen Zeiten aber auch anstrengend.

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Auch wenn bei mir die Lust und Leidenschaft für gutes Essen und entsprechende Getränke im Vordergrund stehen, also der Genuss auf dem Teller und im Glas, geht es bei einem Restaurantbesuch natürlich auch um die Geselligkeit. Selbst wenn ich alleine Essen gehe. Ich liebe es, andere „Tische“ zu analysieren. Natürlich die Menschen, die dort an einem Tisch sitzen. Selbst wenn ich nicht verstehe, was da jeweils besprochen wird, meine Phantasie kennt keine Grenzen und es entstehen komplette Romane mit Liebesgeschichten und auch Tragödien. Wer wie ich als Jugendlicher aufmerksam gekellnert hat oder einfach nur leidenschaftlicher Beobachter ist, lernt gerade bei Speis und Trank Menschen zu lesen. Ist das jetzt ihr Mann oder doch eine Affäre? Das ist definitiv ein Blind Date… Wählt er nun konservativ oder doch grün? Oha, ich glaube, der schlägt sogar seine Kinder… Schau mal, das Paar hat sich gar nichts mehr zu sagen, die wollen schnell wieder vor den Fernseher… Am Ende des Tages ist es wirklich eine Lebensbühne, diese öffentliche Geselligkeit.

Anders ist das, wenn ich selbst in Gesellschaft bin. Da konzentriere ich mich selbstverständlich auf mein Gegenüber oder besser Mitesser und Mittrinker. Ich finde Gespräche im Restaurant haben immer etwas herrlich Inspirierendes, Erhabenes, weil eben nicht ganz so Alltägliches. Und der Wein löst ja bekanntlich jede Zunge… ach, schaffen wir noch ein zweites Fläschchen? Klar, so jung kommen wir nie mehr zusammen… Gründe gibt es viele. Gibt es in dem Restaurant eine gute Bedienung, erweitert sich das kommunikative Spiel und weil auch ich mich lesen lasse, gibt es vielleicht sogar noch einen Schnaps zum Dessert. Wirklich lustig wird es, wenn die Konversation am Nachbartisch den Verlauf des eigenen Gesprächs beeinflusst und sich eine Lieblingsform der Unterhaltung entspinnt: Das Lästern. Es gibt doch nichts Schöneres, als mit dem eigenen Gesprächspartner das Gehörte von Nebenan durch sprachliche Projektion zu verwerten und von der eigenen Unzulänglichkeit abzulenken. Kennst Du… oder?

Meine persönliche Krönung eines Restaurantbesuches ist allerdings, wenn ich den Inhaber oder Küchenchef lange und persönlich gut kenne und ich den Abend in der Küche verbringen darf. In den meisten professionellen Küchen gibt es diesen einen Hocker oder Stuhl, wo der Chef sich mal ausruht oder Gedanken zum nächsten Menü macht. Gute oder kundige Gäste dürfen in Ausnahmefällen dann Zeuge dieses virtuosen Zusammenspiels einer Küchenbrigade in Aktion sein, die Hektik, den oft rauen Ton, aber auch die Könnerschaft einer gastronomischen Schlacht miterleben. An sich schon ein Ereignis. Aber, dass wirklich Spannende ist, wenn der Küchenmeister Dir ganz beiläufig ein Probierschälchen hinschiebt und sagt, koste mal… das soll ab nächster Woche auf die Karte… oder dir ein Glas Weißwein einschenkt und fragt, was denkst du? …ist der neue Jahrgang. Dann bin ich im berühmten 7. Himmel und erlebe oftmals eine besondere Form der Offenbarung, bei der alles zusammen kommt, die schmackhafteste aller Auseinandersetzungen mit Körper und Geist. Einer, der daraus sogar ein eigenes Konzept gemacht hat, ist David Goerne, ein deutscher Spitzenkoch in der Normandie. Bei David gibt es gar kein Restaurant mehr, seine Gäste sitzen alle bei ihm in der Küche und werden so ein Teil des Gesamtgenusserlebnisses.

Also, ich kann es kaum erwarten, bis die Restaurants, ob nun nah oder fern, ob einfach oder ausgezeichnet, wieder öffnen. Ich werde sie alle wieder besuchen und in vollen Zügen genießen. Das Gleiche gilt auch für Dich. Du musst es nur tun.

Also, Dir einen schönen Genusstag und bleib gesund!

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