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Genussgedanken von Matthias Grenda

Kulturfarmer

Genussgedanken zum Dienstag, dem 14.04.2020

Die meisten Menschen in Deutschland wünschen sich gerade, dass die Ausgangsbeschränkungen des „Lockdowns“ noch eine Weile erhalten bleiben, obwohl von einer langsamen Normalisierung so viel abhängt. So ein bisschen ist das wie früher, nachdem man sein Seepferdchen beim Schwimmunterricht bestanden hatte, also relativ sicher ein paar Bahnen im Becken schwimmen und auch schon mal ohne größere Panik den Kopf unter Wasser halten konnte. Kaum war das überstanden, stand die nächste Herausforderung auf dem Programm, der Sprung kopfüber vom Beckenrand oder sogar vom Startblock in das geheimnisvoll glitzernde Wasserbecken. Au Backe… mit wackeligen Knien und dem angsterfüllten Blick in einen endlos scheinenden Abgrund, brachen viele die ersten Versuche dieser Mutprobe erfolglos ab. Der so genannte Köpper wollte einfach nicht gelingen. Also waren Trockenübungen am Beckenrand angesagt. Dafür mussten wir die Arme links und rechts an den Ohren anlegen, die Handflächen zusammen klatschen und uns vornüber beugen, quasi bis die Schwerkraft ihr übriges tat. Klar, machte Sinn, war auch nicht so schlimm, aber die Angst vorm tatsächlichen Sprung nahm uns diese Übung nicht.

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Die meisten Menschen scheuen das Risiko. Und je unbekannter das Terrain, umso stärker sind die Zweifel, überhaupt etwas wagen zu wollen. Nicht so bei meinem jüngeren Bruder, der, als er kaum fünf Jahre alt war, bei einem seiner ersten Schwimmbadbesuche den anderen Kindern wild gestikulierend zu verstehen gab, sie mögen doch bitte auf die Seite gehen. Kaum hatte sich eine Gasse gebildet, lief er ohne zu zögern los und sprang wie eine Kröte ins Becken. Nicht in das knietiefe Kinderbecken, nein gleich in das Schwimmerbecken, was von allen nur das „tiefe“ Becken genannt wurde. Er konnte aber nicht schwimmen und sank wie ein Stein zu Boden. Ich weiß nicht mehr, warum ich nicht reagierte, nur erstaunt und ungläubig die Situation betrachtete, schließlich hatte ich damals schon zwei Abzeichen auf meiner Badehose. Der Bademeister sprang ins Becken und holte den Unerschrockenen wieder an die Oberfläche. Mein Bruder lernte danach sehr schnell schwimmen, dafür sorgten meine Eltern, blieb seinem Naturell zeitlebens aber treu, keine Angst vor Risiken zu haben. Eine Todessehnsucht unterstelle ich ihm mal nicht.

Ich war nie so mutig, sondern tastete mich lieber neugierig an Unbekanntes heran, probierte mich umsichtig aus, um es bei Gefallen dann genussvoll zu wiederholen. Und natürlich genoss ich die Überwindung meiner Angst, so zum Beispiel nach dem ersten gelungenen Versuch, der Schwerkraft nachzugeben und mich kopfüber in das Schwimmbecken fallen zu lassen. Mein ganzer Körper schien vor Begeisterung zu explodieren, als ich ins Wasser platschte und die Schrecksekunde des Falls überwunden hatte und nun spürte, wie dieses Element mich trug, meine Bewegungen schwerelos schienen und das Auftauchen mir ein triumphales Gefühl gab. Von dem Moment an gab es eigentlich kein Halten mehr, ich kam gar nicht schnell genug aus dem Becken raus, wie ich reingesprungen war. Sehr zum Leidwesen der Bademeister, die damals eine strenge Instanz und große Autorität im Freizeitkosmos darstellten. Also ab auf das 1er und später sogar das 3er Sprungbrett. Und nicht nur der Köpper war jetzt gefragt, schließlich galt es den bewiesenen Mut auch in andere Sprungvarianten umzusetzen. Und ja, der Bauchplatscher war nicht nur schmerzhaft sondern auch äußerst uncool vor den anderen Badegästen. Nur vor dem 5er und 10er hatte ich immer einen gehörigen Respekt und konnte mich nur gelegentlich überwinden.

Überhaupt ging es in dieser Phase der Überwindung seiner Ängste viel um die Anerkennung und Belohnung eben dieses Mutes. Sei es in Form von nickender Zustimmung der Kumpels nach einem besonders gelungenen Sprung oder dem wilden Kreischen der Mädchen, wenn sie von einer möglichst beckenrandnahen „Arschbombe“ nassgespritzt wurden. Die wichtigste Belohnung war allerdings die Waffel mit Schokoguss oder die Tüte mit Mäusespeck nach bestandener Prüfung eines weiteren Schwimmabzeichen am Ausgang der Schwimmhalle. Später kam die Portion Pommes oder sogar eine Dose Cola vom Kiosk des Schwimm- oder Freibads dazu. Mut muss sich halt auch auszahlen. Eigentlich hat sich da gegenüber früher nichts verändert. Das Leben mit Risiken gehört zum Alltag, ist also normal, auch wenn wir uns das sonst nicht bewusst machen. Das Gleiche gilt auch für Dich. Du musst es nur tun.

Also, Dir einen schönen Genusstag und bleib gesund!

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